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throw a bubble (Kameras präparieren)

Julian Scherle schickt mir einen Link zur throwable panoramic ball camera (tpbc). Ein Ball zum hoch Werfen, der aus 36 Minicameras besteht, die Aufnahmen machen, welche dann zusammen gestitcht ein rundum Panorama-Bild ergeben. Eine super süße Arbeit.

Still: I’d prefer a throwbubble. Eine Blase, die man in die Luft wirft und die gleichzeitig durchlässig ist und spiegelt. Denn die tpbc ist nicht durchlässig. Sie nimmt auf und speichert. Diese schwarzen Kisten sind ja schön und gut: ein Raum wird abgetrennt und verdunkelt, durch einen spezifischen Sinn, ein Loch, wird ein Bild (welcher Art auch immer) in ihm sichtbar. Aber geht ein Medium nicht auch anders? Kann ein Medium nicht auch viel durchlässiger sein und trotzdem ein Bild ergeben? Reicht nicht eine Oberfläche um ein Bild zu erzeugen? Eine Membran, Wasser.
Ein Individuum ist das erste (soll heißen: das uns nächste) Medium. Und es ist zu großen Teilen durchlässig. Nicht umsonst nennen wir einen Menschen ein Medium, wenn seine Sinne breiter, offener sind als die der meisten Menschen, die über Augen, Ohren, Haut und etwas Geschmack verfügen. Sie verfügen dann nicht über mehr Innerlichkeit, sind nicht obskurer als wir, sondern ihre Innerlichkeit und ihre Äußerlichkeit gehen fließend ineinander über.

Wie könnte man die tpbc also so abändern, dass siemehr Medium wird, weniger Camera Obscura? Vielleicht indem sie gar nicht erst speichert, sondern aufnimmt und abspielt. Kameras, die nach außen zeigen und Displays, die das selbe tun. Ich suche nach Kamera-TFT-Modulen, die man manuell in der Art umbauen könnte und die erschwinglich sind (und werden fündig). Für eine Kugel bzw einen Ikosaeder bräuchte ich 15 Stück. Budget überschritten.
Für das selbe Geld (!) finde ich bei der Recherche auch chinesische Iphones der 5. Generation, mit Cams auf Vorder- und Rückseite. Man sollte eine Throwbubble entwickeln, für die Iphones eine Application sind. Ein Gesellschaftsspiel, das man mit bis zu 15 Personen spielen kann (extended version optinal).
Was mir nicht gefällt, ist dass dieses Ding noch immer eine hohle Mitte besetzt. Eine Throwbubbole ist nicht hohl, nicht zentriert, nur durchlässig und spiegelnd.

Noch mehr hightech und weniger Pop als Iphones wäre eine Konstruktion der Throwbubble aus Glasfaserkabeln. [Mit dünnen Glasfaserkabeln wird im Bereich der Audio und Video-Signalübertragung gearbeitet. Abgesehen davon werden dickere Lichtleiterkabel in flexiblen Endoskopkameras eingesetzt. ] Schwierig nur, die alle durch die Mitte zu bekommen. Sie müssten um den Kern herum aneinander vorbei gelegt werden. Sie würden den Mittelpunkt als Zentrum und Zweck umgehen, das nenne ich eine Throwbubble!
Vor allem aber wäre dieses Ding der Archetyp eines Dings: eine Form oder Gestalt die durchlässig ist für die Welt und so ein Teil von ihr. Für die Glasfaser-Throwbubble wäre das zumndest in visueller Hinsicht über deutlich.

Wenn ich jetzt so über meine Notizen schaue, farge ich mich: Was gefällt mir denn eigentlich an der tpbc? Wohl nicht ihre Funktion. Eher dass sie ein Potential nutz, das die Minicamera unfreiwillig besitzt – sie ist nicht dafür entwickelt worden. Das kann man mit Sicherheit sagen, denn sonst wäre die tpbc jetzt ein sehr spezielles Serienprodukt.

Seitdem ich mit den Minikameras arbeite, habe ich mich von der Haushaltstechnik- über die Bauteile- bis hin zu Autoersatzteil- und Modellbau-Abteilung durch gewühlt. Überall kommen kleine Kameras zum Vorschein: Actioncams, Helmkameras, Spycams , Kameras in Kettenanhängern/Radioweckern/falschen Ipods/echten Uhren…, Flycams, Überwachungskameras mit und ohne Funk, Einparkhilfekameras,… um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Jede dieser Kameras wurde für ihre spezielle Anwendung entwickelt und besitzt bestimmte Eigenschaften, die andere nicht haben und die bei diesen auch gar keinen Sinn hätten. Ein paar Beispiele: Überwachungskameras sind meist mit Infrarot-LEDs ausgestattet, jedes Modell gibt es auch in schwarz/weiß. Spycams haben einen einstellbaren (nicht löschbaren) Datums- und Uhrzeit-Stempel auf dem Bild. Flycams zeichen in der Regel 20 Minuten in einem Puffer auf, der ab dann wieder überschrieben wird. Actioncams sind nicht mehr wirklich klein und vor allem nicht leicht und sie sind die einzigen Minicams,  die in der höheren Preisklasse 60fps oder mehr aufzeichnen können. Und und und.
Was anhand der Aufzählung dieser speziellen Funktionen gezeigt werden kann: Die Kameras funktionieren nur in genau der Situation, für die sie entworfen werden. Außerhalb dieser sind sie schlichtweg fehlerhaft. (Beispiele: Infrarotlicht erzeugt “falsch” Farben. Flycams können nur 20 Minuten aufnehmen. Wer will schon ein Datumsstempel? Und wozu brauche ich 60fps wenn mein Auge die eh nicht wahrnehmen kann. Fehlerhaft: das, was nicht unserer Wahrnehmung entspricht.)

Die Kameras werden spezialisiert, d.h.: Es gibt für jeden Zweck das passende Modell. Der Zweck ist der Kamera eingeschrieben. Darüber hinaus ist es so, dass auch ihre Zwecke, die Situationen für die sie entworfen werden selbst mit ihnen entworfen werden. Es handelt sich also um künstlich generierte Szenarien, in denen die Kameras funktionieren würden, wie sie es sollen. Wenn es diese abstrakten Gegebenheiten denn konkret gäbe. Und das ist genau der Haken an der Sache: Keine  konkrete Situation wird je einer abstrakten Situation entsprechen.

“Deshalb ist Gegenstand “konkret”; die praktische Unzählbarkeit seiner Seiten macht ihn einzigartig und unvergleichbar.”
[Vilém Flusser “Gesten”, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 1994, S.54]

Serienprodukte sind Stereotypen. Sie funktionieren nur so wie sie sollten, wenn auch ihre Umgebung in der sie gehandhabt werden, die Handhabung und am besten den Handhabenden selbst Stereotypen sind. Wenn Menschen funktionieren, funktionieren auch die stereotypen Gegenstände mit denen sie sich umgeben.

“Denn einen Gegenstand zu erzeuge, heißt auch, keinen anderen zu erzeugen. Es ist eine Geste der “Entscheidung”.”
[Vilém Flusser “Gesten”, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 1994, S.62]

Wenn jede Entscheidung bedeutet “dieses und alles andere nicht”, dann gilt für sehr spezielle Gegenstände, dass die Entscheidungen, die zu ihrer Erzeugung beitragen, auf immer enger laufenden Pfaden getroffen werden. Das Gebiet des anderen wächst mit wachsender Spezialisierung.
Mit der fortschreitenden Spezialisierung der Kamera breitet sich der Bereich aus, in dem sie nicht funktioniert. Und jede Abweichung von der stereotypen oder normierten Anwendung oder Handhabung fällt ins Gewicht: lässt den Gegenstand aus seiner Funktion in die Funktionslosigkeit fallen.

Ein Beispiel. Einen Stuhl umzufunktionieren, muss ich ihn als etwas anderes verwenden, als einen Stuhl. Als Schemel oder als Tisch, als Mordwaffe oder als Feuerholz. In jedem Fall ist er kein Stuhl mehr, sobald ich ihn zweckentfremde. Wie sieht es aber mit einem Friseurstuhl aus, wenn ich ihn an einen Esstisch stelle? Er ist sicher kein Frisierstuhl mehr, aber ein Stuhl ist er noch. Um mit einem Sprung zurück zu den Minikameras zu kommen: Wenn ich vergesse, den Datumsstempel der Spycam nicht einzustellen, schon dann erfüllt die Kamera ihre Funktion nicht mehr, denn sie ist dazu da, ein Bild mit Datumsinformation und Uhrzeit zu speichern. Als Beweis zum Beispiel. (Klotz)

Wenn ich die kleinen Kameras präpariere, so will ich:

1) Ihre Fehler nicht als Fehler verstehen, die behoben werden müssten. D.h. nicht als Abweichen von der idealen Gegebenheit oder: nicht unserer Wahrnehmung entsprechend. Sondern ganz im Gegenteil als ungewollte oder ungeahnte Funktion der Kamera.

2) In den sich weitenden Feldern zwischen den Spezialisierten Geräten ein konkretes Projekt/eine konkrete Anwendung setzen und eine Kamera darauf hin “spezialisieren” bzw. präparieren. Mag sein, dass auch dieser Zweck den ich der Kamera einschreibe, verfehlt wird. Da ihc aber keine stereotypen Serienprodukten baue(n muss), kann ich dieses Wechselspiel mit der Kamera (formen und geformt werden) eingehen.

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