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Wien (Heinz von Foerster Kongress)

Mein Gepäck ist die Schnittmenge der zehnfach notierten “Packen”-Listen (kleiner TV, Mini-Funkkameras, Empfänger, Netzteile, Videokabel, Fernbedienung, Lötkolben und -zinn, Nähkästchen, Batterien, …) plus eine Boddin-Ausleihe in letzter Sekunde (D/A-Wandler, entsprechende Kabel für PC&TV-Anschluss).

Mit dem Nachtzug geht es von Düsseldorf nach Wien. Mit einigen Studierenden der Klasse für Generative Kunst (UdK Berlin, Prof. Alberto de Campo) besuchen wir dort den Heinz von Foerster Kongress:

Zu den Vorträgen zur Quantenmechanik verirrt sich nur kurz jemand von uns.

Die folgenden Vorträge höre und sehe ich mir an, mit sehr unterschiedlichem Interesse…

Freitag:

Dirk Baecker (Friedrichshafen): Complexity and Recursivity in Brain, Mind and Culture >> Wurde gerügt für seinen achtlosen Umgang mit den Worten “Memory” u.ä.: HvF habe immer darauf gepocht, dass man Maschinen nicht vermenschlichen soll.

Ranulph Glanville (London): Heinz von Foerster, Artist >> Zitiert Becket (im Interview mit??? Zitat hier nicht wörtlich…): There are countless ways of trying in vain to say what I am trying in vain to say.

Hans-Rudi Fischer (Heidelberg): Der anamorphotische Blick >> Der am wenigsten glanzvolle Vortrag. Beim Redner völlige Faszination von der Zentralperspektive und der Anamorphose als gewitzter Rebellion. Dazu falsche Infos zur Zentralperspektive selbst (man sehe nur aus der Sicht eines Auges, nicht beider Augen)… Als er dann auch noch behauptet, HvFs Aussage, er sei Teil der Welt, sei keine Lösung für das Problem des Konstruktivismus wie es in der Logik des Traktats sich stellt, schalte ich ab.

Samstag:

Paul Schröder (Philadelphia): Community Self-Discovery: Identities and Complexity >> Spricht über Occupy [1] [2] und Hasan M. Elahi, den amerikanischen Künstler  und Dozent an der University of Maryland, der seine privaten Daten inflationär behandelt, sie ansammelt und veröffentlicht und ihnen gerade dadurch den Wert nimmt, den sie für bestimmte Institutionen haben. [1] [2] Das Private kann nur gerettet werden, indem es aufgegeben wird. Er spricht außerdem darüber, dass wir unsere Erwartungshaltung an Institutionen bezüglich der Bereitstellung von Informationen aufgeben müssen, weil wir uns hin entwickeln (und wenn wir uns hin entwickeln wollen) zu einem gesellschaftlichen Prozess in dem Informationen gemeinsam generiert und überholt werden.

Bernhard Scott (Swindon): Heinz von Foerster: Contributions to Psychology >> Durch die Kommunikation mit anderen komme ich zur Kommunikation mit mir selbst (= consciousness). Er beschreibt das als zu einem Kreis geformte Röhre und somit als doppelt geschlossenes System. Er unterscheidet außerdem zwischen biologischem und psychologischem Individuum, wobei letzteres auch zwei oder mehr Menschen im Dialog sein können. Er zitiert HvF: “Life is studied by living it.

Stuart A. Umpleby (Washington): Second Order Science: An Example of Emergence in Social Systems >> Die klassische Wissenschaft strebt danach, die Theorien zu vereinen zu einer großen Theorie, die alles erklärt. But knowledge can be structured as methods insteead of theories! Wenn wir davon ausgehen, dass wir unterschiedliche Phänomene beobachten, je nachdem von welchem Standpunkt/welcher Theorie aus wir sie beobachten und wenn wir weiter davon ausgehen, dass unsere Theorien beeinflussen, was wir beobachten , dann müssen wir uns fragen: Do we create theories in effort to change social systems? [Wenn die Wissenschaft einst fragte “Wozu hat das Rind seine Hörner erhalten?”, dann “Wie hat das Rind seine Hörner erhalten?” (Darwin), später “Was hat das Rind und was ist eigentlich ein Rind?” und bis zuletzt “Was wird oder soll das Rind in Zukunft haben?” (Futurologie, Genetik), so können wir uns heute die Frage stellen: “Was wollen wir, dass das Rind hat?” (Radikaler Konstruktivismus).] Mit Darwin wird die Welt self-organizing, mit HvF rekursiv. Rekursivität führt zu logischen Inkonsistenzen und Paradoxien. Eine (kybernetische) 2nd order science würde die Objektivität aufgeben und damit den Anspruch auf die Autorität von Spezialisten. >> Campbells “experimenting society” und: sich weniger auf Statistiken verlassen.

S.J. Schmidt: Self-Organisation of Communication >>Kommunikation ist nicht transferieren von Informationen, sondern Angebote für Verstehen/Perspektiven. [Wir können heute alte Schriften lesen, nicht mit der arroganten Haltung eines sich emanzipierenden Kindes, sondern mit der einfühlsamen, versöhnenden Haltung eines Enkelkindes.Wie können sie verstehen als Angebote, die Welt so zu sehen. Wir können die Theorien als Methoden verstehen. Dazu müssen wir sie grundsätzlich zulassen, annehmen. Wir müssen sagen “angenommen, dass…”/”suppose´que…” (Flusser). Erst was wir annehmen, können wir bejahen – oder verneinen. Was wir nicht annehmen, steht nicht zur Debatte.] Luhmann im Gespräch mit Maturana: Er betrachte keine  Kommunikation zwischen Individuen, weil er daraus keine allgemeinen Analysen/Schlüsse ziehen könne. (Quelle?)

John Lochhead (Amenhearst): The No-Crisis Crisis in Radical Constructivism >> Auch religiösen Wissen, athletisches Wissen, etc. ist Wissen. All unsere Erfahrung birgt einen mystischen Anteil, einen ontologischen.

Theo Hug (Innsbruck): Constructing an Archive >> Nicht so interessant, wie es sich anhört, aber eine wichtige Arbeit: Das Ernst von Glasersfeld Archiv wird derzeit in Innsbruck aus seinem Nachlass erarbeitet.

Sonntag:

Alfred Inselberg (Tel Aviv): Parallel Coordinates… are better than they look >> HvF : “Memory – A Quantum Mechanical Treatise”: wir vergessen exponentiell. Da beim Aufzeichnen historischer Daten die notierten Ereignisse zur Gegenwart hin exponentiell dichter werden, verwendet er logarithmisches Papier. >> “Objectivity is a subject’s delusion that observing can be done without him.” (HvF?) [Sprechen wir nicht mehr von Subjekt/Objekt, sondern sehen wir tatsächlich vom Subjekt ab, so löst sich der Dualismus auf und Beobachten wird zu Anwesenheit, in der Welt Sein.]

Paul Pangaro (Paolo Alto): Invitation to Recursioning. Heinz von Foerster and Cybernetic Praxis

Pille Bunnell (Toronto): Chiascuro: Living the Ephemerality of Distinctions and Domains >> Maturana: Distinctions arise in a recursion of language. >> With every distinction arises a domain. But also it obscures other domains. Jede Unterscheidung eröffnet Möglichkeiten, ein riesiges Potential an Ideen und Dingen. Doch mit jeder Differenzierung fällt alles außerhalb dieser Differenz weg. Jedes Feld schließt nicht nur Dinge ein, sodern v.a. auch andere mögliche Felder aus. Durch Differenzierung wird Erlebtes zu Prototypen, durch Formalisierung wird es zu Stereotypen, mit denen wir scheinbar/angeblich leben (müssen). Die Errungenschaften, die durch das differenzierende Denken erlangt werden, stehen nicht zur Debatte. Die Idee geht vielmehr dahin, dass Differenzierung und Formalisierung in vielen Bereichen nicht greift (Bunnells Beispiel sind Gefühle). Und bei denen sie dennoch angewandt werden. Es gibt Bereiche, die sollte man nicht formalisieren. Ihre gute Nachricht ist, dass, weil alles ein großer Prozess ist, auch die Felder (domains) sich verschieben und (auf)lösen können.

Karl H. Müller (Vienna): A Short Outline of the New Science of Cybernetics >> Konnte ich nichts mit anfangen. Dafür gab es einen wunderbaren Einwand von Claudia Westermann, der mir klar machte, warum ich nichts damit anfangen konnte: In welcher Sprache sollen die Ergebnisse dieser New Science formuliert werden? Nach einer sehr präzisen und wissenschaftlichen Frage stellte sie die Poesie als mögliche Sprache in den Raum. Nach dem Konzert am Abend traue ich mich, sie anzusprechen, sie gibt mir ihre Mailadresse. Den speziellen Background ihrer Frage zu verstehen, habe ich nicht das Fachwissen. Meine Gedanken kreisen: Mir hat die Frage gefallen, in welcher Sprache Ergebnisse dieser New Science ausgedrückt werden können. Ich musste an die gesprochene Sprache denken. Sie hat klare Nachteile gegenüber geschriebener Sprache. Sie hat aber auch Vorteile, ein Potential, das die geschriebene, alphabetisch fixierte Sprache nicht hat, sie kann Dinge ausdrücken, die sich dem Geschriebenen entziehen. Und so ist es auch wieder im Verhältnis zwischen Schrift und mathematischen Formeln. Flusser behauptet, dass sich die Uneindeutigkeit der Quantenpysik erst in der Übersetzung in alphabetisch kodierte Sprache ergibt. Das kann stimmen oder auch nicht, das weiß ich nicht, worum es mir geht ist auch etwas anderes: Er sieht darin ausschließlich einen Nachteil. Dabei ist diese Uneindeutigkeit, das nicht Bestimmbare, ein großer Reichtum der Sprache. Weiter: Bilder können Inhalte ausdrücken, die sich, wenn sie übersetzt werden, unweigerlich verflüchtigen. Es erstaunt mich immer wieder, dass von Wissenschaft UND Philosophie gesprochen wird. Ich kann die zwei nicht trennen. Nur die Formen, in die sie hinein arbeiten, sowie das Maß an Überprüfbarkeit ihrer Ergebnisse, das sich aber aus ihren Methoden ergibt, und auf das hin gearbeitet wird. Ich fände es besser verständlich, wenn wissenschaftliche Theorien Methoden genannt würden, und sie den Methoden der Philosophie und der Kunst gegenüber gleich gestellt wären. Wenn wir nach der Welt fragen, dann müssten doch die Sprachen mit denen wir auf unsere Frage antworten, so vielfältig sein, wie die Welt nach der wir fragen.

Die Idee der Rekursion erinnert mich an Deleuzes Wiederholung: Nachdem wir aus diesen (sagen wir Darwins) Annahmen her stammen, gehen wir wieder zu ihnen hin und sagen “angenommen, dass…”. Wir erlangen so wieder Ergebnisse, die aber von den vorherigen unterschiedlich sind und die unseren Blick auf die Dinge (auf die Annahmen) wiederum verändern. Das ist die Idee der Freiheit: Von etwas ausgehen, um zu etwas zu gelangen. Sei es eine Homebase wenn man reisen will, sei es eine Mathematische Annahme (man kann nicht durch 0 teilen. später: man kann durch 0 Teilen, denn wir nehmen einen weiteren Bereich der Zahlen an, usf.), sei es ein Vertrauensvorschuss, durch den erst Vertrauen erreicht werden kann (Kommunikation).

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