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Darwin’sche Finken suchen (2)

Darwins Zeit war die Hochzeit des klassischen wissenschaftlichen Denkens. Man war sich sicher, die Welt objektiv, also mit “interessenlosem Wohlgefallen” (Kant) betrachten zu können. Also betrachtete man sie objektiv, d.h. als leblos. Die Dinge, Pflanzen, Tiere und schließlich der Mensch wurden der mystischen, religiösen Welt (also Gott) entrissen, oder umgekehrt: ihnen wurde Gott entrissen.  (Was das gleiche bedeutet wie sie als leblos zu betrachten, denn das Leben ist im Grunde mystisch-religiös. Nicht wie es ist, aber dass es ist. Entreißt man den Dingen das (Eigen-)Leben, entreißt man ihnen das göttliche.)
Man könnte es also auch so formulieren: Darwins Zeit war die Hochzeit der Erbsünde, der Entfernung aus dem Paradies auf Erden. Oder eben der Entfernung des Paradieses von Erden.

Darwin selbst zeichnet in der Fahrt der Beagle ein wunderbares Bild von dieser Weltanschauung wenn er beschreibt, wie er einem Tier eins mit dem Geologenhammer überzieht um es dann in Ruhe zu betrachten. Und in Naturkundemuseen lebt in Schmetterlingsalben und ähnlichen Leichenschauhäusern der Geist dieser Zeit weiter.

In der klassischen Wissenschaft steht der Mensch der Welt nich nur gegenüber, sondern er hat auch einen Abstand zu ihr, den objektiven Abstand. Und diesen Abstand sucht er ständig zu erweitern: Er will nicht in der Welt bleiben, nicht an seinem Platz, in seinen Dimensionen. Sondern er entfernt sich in die größten und in die kleinsten Strukturen die er sich mithilfe allerlei Werkzeugen zugänglich machen kann (Teleskope, Mikroskope und Flugzeuge sind die offensichtlichsten Werkzeuge dieser Art). Er sucht seine Welt immer weiter von sich zu entfernen.

Je ferner er aber der Welt und von den Dingen ist, desto schwieriger wird es ihm, mit diesen in Kontakt zu treten. Er kann die Dinge und ihre Bewegungen, ihren Druck nicht mehr spüren. Höchstens als Widerstand gegen etwas, das er ihnen antut wenn er etwas (anderes) aus ihnen machen will. Wenn sich das Material seinen Händen widersetzt (Flusser “Die Geste des Machens”).

Darwins ist allerdings nicht ausschließlich Kind seiner Zeit; seine Person so eindimensional auf einen klassisch wissenschaftlichen Standpunkt zu reduzieren würde ihm nicht gerecht. Vor allem in seinen Jugendjahren, auf der Fahrt mit der Beagle, zeigt er sich interessiert an der Welt und öffnet sich ihr, auch wenn diese ihm dadurch Gewalt antun kann. So lässt er, um eine Art Blutegel kennen zu lernen, diese eine Weile an sich saugen. Das mag banal klingen, ist aber ein Hereinbrechen der Welt, das Darwin aus reinem Interesse und am eigenen Körper zulässt. Er begibt sich damit in seine eigene Dimension.

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